Monika Wartenweiler Häuslenen, TG
Bei ihr gehen Ökologie und Ökonomie Hand in Hand
Franziska Schawalder – Am 1. Januar 2023 hat Monika Wartenweiler aus Häuslenen / TG den Hof ihres Vaters übernommen. Die junge Landwirtin hat bereits vor ihrer Übernahme ein Wieselburgen-Projekt ins Leben gerufen. Als Umweltingenieurin liegt ihr das Thema Ökologie stark am Herzen. Einen grossen Platz in ihrem Leben haben auch die 25 Mutterkühe und ihre Kälber. Ihnen widmet sie täglich viele Stunden Handarbeit.
«Du kannst uns nicht verfehlen, das Postauto hält direkt vor der Haustüre», versichert mir Monika Wartenweiler am Telefon. Nun – dem ist auch so, ausser der Postautochauffeur missachtet das Aufgebot und fährt frisch fröhlich an der Haltestelle vorbei. Glücklicherweise habe ich mich vorher auf der Karte noch etwas schlau gemacht und schnell gemerkt, dass er zu weit gefahren ist. So kommt es, dass das Postauto von Frauenfeld nach Ettenhausen an diesem Donnerstagmorgen zu Beginn des neuen Jahres einen ungeplanten Zwischenstopp einlegen muss. Monika schmunzelt, als ich es ihr erzähle. «Seit ich das Postauto nicht mehr benütze, muss es hier wohl nur noch sehr selten halten.» Ausser den beiden Wohnhäusern und den dazugehörenden landwirtschaftlichen
Bauten gibt es nicht viel. Monika und ihr Mann Nic sind vor rund zweieinhalb Jahren nach Häuslenen gezogen. Während Monikas Vater Max und seine Lebenspartnerin Vreni Hochparterre wohnen, hat das junge Paar die Wohnung im ersten Stock bezogen. Das zweite Wohnhaus sowie ein Stallgebäude gehören nicht zum Hof. Auf Monika aufmerksam wurde ich durch einen Zeitungsartikel. Dort wurde eine junge angehende Landwirtin vorgestellt, die mit einem Crowdfunding ihr WieselburgenProjekt finanzieren wollte. Vorerst landete der Text in meiner «Ideenkiste», um dann Ende letzten Jahres wieder ausgegraben zu werden. Ein Telefon von Zürich nach Häuslenen und die Sache war geritzt. So lässt sich doch bestens ins neue Jahr starten.
Lieber auf dem Hof als im Büro
In Häuslenen ist Monika Wartenweiler aufgewachsen. Zumindest bis zum Ende ihrer obligatorischen Schulzeit. Während ihrer Lehre als Chemielaborantin mit BMS hat sie bei ihrer Mutter, die nach der Trennung nach Romanshorn gezogen war, gelebt. Während die Scheidung der Eltern für die junge Frau nach eigenen Angaben kein grosses Problem darstellte, war der frühe Krebstod der Mutter vor sechs Jahren eine sehr schmerzhafte und einschneidende Erfahrung. «Meine Mutter stand mit 55 Jahren mitten im Leben, hatte einen tollen Beruf und ein gutes Umfeld», erinnert sich die 30Jährige und fährt fort: «Meine Grosseltern hätten ihrer Tochter gerne noch einen Wunsch erfüllt, aber sie wollte keine grossen Sprünge mehr machen. Sie war
zufrieden mit ihrem Leben. Das hat mich sehr beeindruckt.» Mit der BMS und ihrem Abschluss als Umweltingenieurin an der ZHAW in Wädenswil war sie zwar top ausgebildet, doch ihre Büroarbeit befriedigte sie nicht. Mit dem geschärften Bewusstsein, dass auch das eigene Leben endlich ist, überlegte sie sich ernsthaft, wieder zu ihren landwirtschaftlichen Wurzeln zurückzukehren. Zumal Vater Max schon vor einigen Jahren die Planung der Hofübergabe anging. Da sich aber ein Verpachten des Betriebs nicht gerechnet hätte, war verkaufen wieder ein Thema. «Als mein Vater mich und meine Geschwister nochmals fragte, ob sich jemand von uns eine Übernahme vorstellen könnte, schaute ich mit Nic, ob die Übernahme für uns beide eine Option wäre. Ich persönlich sehe mich hier auf dem Hof mehr als im Büro oder im Labor», sagt die junge Frau. Nic, der zu 100 Prozent bei einem Unternehmen als Bio-Landschaftsgärtner arbeitet, unterstützt seine Frau auf dem Hof vor allem bei der Jungbaumpflege. «Zu Beginn hat er sich hin und wieder gefragt, warum seine Frau so viel Zeit im Stall verbringt», erzählt Monika schmunzelnd. Nach einigen tatkräftigen Einsätzen als Geburtshelfer ist er mittlerweile auch voll im Hofleben angekommen. Gut so! Denn seit dem 1. Januar 2023 liegt der Hof Weidereich, der seit 1955 in Familienbesitz ist, voll und ganz in Monikas Verantwortung.
«Der Heukran ist das höchste der Gefühle»
Bevor Monika im Oktober 2022 zu 100 Prozent auf dem Hof eingestiegen ist, hat sie noch 40 bis 80 Prozent auswärts gearbeitet und parallel dazu den Direktzahlungskurs am Landwirtschaftlichen Zentrum in Flawil / SG besucht. «Den Praxisnachweis konnte ich auf dem eigenen Hof erbringen. Wobei ich gerne die Lehre als Landwirtin absolviert hätte. Vor allem auch, um noch andere Höfe kennenzulernen, aber das wäre finanziell schwierig geworden», erklärt sie. Im Winter verbringt die Thurgauerin zwischen vier bis fünf Stunden im Stall. Die meiste Arbeit erledigt sie von Hand. «Der Heukran ist das höchste der Gefühle», erzählt sie. Auf meine Bitte hin, sie am Morgen bei ihrer Stallarbeit unterstützen zu dürfen, erhalte ich den schönen Auftrag, die Kühe, die sich im integrierten Laufhof auf der Fressachse befinden, zu striegeln. «Das habe ich einmal bei einem Landwirt gesehen. Auf diese Art kann ich im Winter eine engere Bindung zu den Tieren aufbauen», klärt sie mich auf und erledigt währenddessen die Mistarbeit.
Zu Beginn fahre ich mit dem Striegel noch eher zaghaft über das teils struppige Fell, mit der Zeit kann ich die Kühe besser lesen. Ich rede mit ihnen und lasse sie wissen, was ich hier gerade mache. So ziehen wir gemeinsam durch den Stall und sprechen über all das, was ich später hier auf Papier bringen werde. «Ich möchte einfach mal dies und das ausprobieren. Zu Beginn hat man gewisse Ideale. Mal schauen, was ich davon umsetzen kann und was nicht», fährt Monika in ihren Erzählungen fort. Ihr Vater lässt sie gewähren. Nach all den intensiven Jahrzehnten sei er froh, weniger Verantwortung und mehr Freizeit zu haben. Ob das so bleibe, werde man sehen. Auf jeden Fall ist er da, wenn Monika seinen Rat oder seine Hilfe braucht. Aktuell ist sie Herrin über 25 Mutterkühe, deren Nachwuchs sowie Stier Cäsar. Weiter gehören zu ihrem Reich rund 30 Kuro-Freilandschweine (in Lohnmast), zwei Ziegen, ein Hofkater und zwei Hauskatzen. Der Betrieb hat 24 Hektaren Land – 12 eigene und 12 gepachtete. Insgesamt 20 Hektaren sind Wies und Weidefläche mit einem Hochstammobstgarten mit rund 150 Bäumen. Auf den restlichen 4 Hektaren betreibt sie Ackerbau. 20 Prozent der Betriebsfläche bearbeitet sie extensiv. Da eine der extensiven Wiesen in einem Vernetzungskorridor liegt, bleiben mindestens 10 Prozent der Wiese stehen, damit sich Insekten und andere Tiere dorthin zurückziehen können und Nahrung finden. Zudem können auch die Orchideen versamen.
Ökologisches und ökonomisches Denken gehen Hand in Hand
Was mich an Monika stark beeindruckt, ist ihre überlegte Art. Sie hat viele Ideen, aber nicht den Anspruch, alles auf einmal umzusetzen. Sie ist offen, denkt ökologisch, lässt aber auch ökonomische Aspekte nicht ausser Acht. Ihre Vertiefungsarbeit an der ZHAW hat sie dem Thema Stadtökologie gewidmet. Während sie das Stadtleben hinter sich gelassen hat, steht das Thema Ökologie immer noch im Zentrum ihres Schaffens. Deshalb hat sie auch den Kurs von Bio Suisse besucht. Wobei sie abschliessend zum Schluss kam, dass Bio im Moment kein Thema für ihren Hof ist, obwohl sie mit ihrer Produktion – mit Ausnahme des Ackerbaus – die Auflagen so gut wie erfüllt. Während sie das Wiesland selbst bewirtschaftet, arbeitet sie beim Ackerbau mit einem Lohnunternehmer. Sie produziert Silomais, Grassilage, Heu / Emd und Urdinkel IP Suisse. Ihr Ziel ist es klar, zeitnah ohne Glyphosat zu arbeiten. Deshalb hat sie seit März 2022 die Freilandsauen mit ins Boot geholt. Die Schweine, die sie auf ihrem spannenden
Instagram-Kanal liebevoll Tiefbauspezialisten nennt, leben bei ihr in Lohnmast und sind für den Wiesenumbruch zu Beginn der Fruchtfolge verantwortlich. Ob sich das angedachte Projekt «Schweine – Mais – Untersaat – Mulchen – Dinkel» bewähren wird, weiss sie noch nicht. Als weitere Option käme allenfalls auch eine Schälfräse in Frage. Seit dem Frühjahr 2022 hat sie auch zwei Ziegen als Bord-Rasenmäher «engagiert». Die zwei Gehörnten sind zwar tolle Mitarbeiterinnen, aber sie büxen auch immer wieder aus und brauchen viel Geduld.
Wunderschöner Hochstammobstgarten
Ein richtiges Bijou auf dem Hof ist der Hochstammobstgarten, bei dem sie auf den Einsatz von Pestiziden verzichtet und der somit einen tollen Lebensraum für Vögel, Fledermäuse und andere Nützlinge bildet. Hauptsächlich handelt es sich um Apfel- und Birnbäume. Es hat aber auch ein paar Kirschen-, Zwetschgen-, Pflaumen- und Aprikosenbäume. «Wir produzieren ausschliesslich Mostobst für den Eigenbedarf und den Hofladen. Letztes Jahr haben wir rund zwei bis drei Tonnen Äpfel und Birnen aufgelesen, den Rest lassen wir für die Kühe liegen», hält die Jungbäuerin fest. Die anderen Früchte werden für den Eigenbedarf genutzt. Im Hofladen gibt es nebst dem feinen Most, den ich natürlich selbst ausprobiert habe, auch Honig von Vater Max und Eier aus der Region zu kau-
fen. Was das Fleisch angeht, nutzen sie ein Tier pro Jahr für die Direktvermarktung. Alle anderen liefern sie als Natura-Beef und hin und wieder auch als Natura-Veal oder SwissPrimBeef an die Vianco. «Während ich die Kühe in- und auswendig kenne, gebe ich den Kälbern keine Namen. So fällt mir die Trennung einfacher», sagt Monika und krault Coco, die mit Abstand anhänglichste Kuh im Stall. Grosse Freude bereitet ihr auch die 16-jährige Kuh Dolly, die bereits ihr 13. Kalb zur Welt gebracht hat. Die Herde ist bunt gemischt. Viele der Kühe haben eine Red Holstein-, einige auch eine Simmentaler-, Braunvieh-, Pinzgauer- oder Charolais-Mutter. Die hübschen Ladies tragen Namen wie Antonella, Luna und Havanna. «Im vergangenen Jahr hatten wir einige schwierige Geburten und wir haben auch Kälber verloren. Das war hart und ich hoffe sehr, dass ich jetzt etwas Ruhe im Stall habe», betont sie. Als hätte sie den Kummer der Bäuerin gespürt, kuschelt sich das Kalb Xenia an sie. «Sie hier kenne ich mit Namen, weil sie ein Ammenkalb ist, und bereits mit Namen zu uns kam», klärt mich Monika auf. Die Charolais-Ammenkuh, die ihr Kleines verloren hat, hat das Angus-Kalb bestens angenommen.
Wiesel sollen gegen den Wurzelfrass der Wühlmäuse helfen
Vor lauter Kühen und Kälbern ist das Wieselburgen-Projekt fast etwas untergegangen. Das holen wir anschliessend im Haus bei einer Tasse Kaffee nach. «Den Obstgarten haben wir nebst der Mostproduktion vor allem für die Ökologie. Und die Wiesel sollen mir nun gegen den Wurzelfrass der Wühlmäuse helfen. Zudem bilden diese Ast- und Steinhaufen auch einen wertvollen Rückzugsort für Igel, verschiedene Reptilien und Insekten», erklärt sie. Die herzigen Viecher sollen die Hofkatze sowie Greifvögel wie Schleiereulen, Turmfalken, Milane und Bussarde bei der Mäusebekämpfung unterstützen. Vater Max hat mal ein Wiesel entdeckt und deshalb möchte Monika versuchen, dass die putzigen Tierchen ihre Jungen in den Burgen aufziehen können. Im Gegenzug fressen die Wiesel – soweit der Plan – Mäuse. Damit sie die Arbeits-, Material- und Maschinenkosten decken kann, hat sie auf der Plattform Bee n’Bee ein Crowdfunding-Projekt lanciert. Der Zielbetrag von 5500 Franken wurde dank 40 Unterstützenden, darunter auch viele Freundinnen und Freunde des Paares, erreicht. Viele von ihnen haben mit Landwirtschaft wenig am Hut, aber interessieren sich für die Hofarbeit und die Projekte von Monika und Nic. So haben einige auch beim Bau der ersten fünf Wieselburgen mitgeholfen. Im Moment fehlen noch die Krautsäume, in denen sich die Wiesel vor Raubvögeln, die halt auch gerne Wiesel fressen, besser verstecken können. Der Landwirtin bieten solche Projekte die Chance, sich auch ausserhalb der Landwirtschaft auszutauschen und zugleich wertvolles landwirtschaftliches Wissen weiterzugeben. Die Website weidereich.ch und der Instagram-Kanal @weidereich.hof von Monika sind denn auch sehr informativ, abwechslungsreich und schön fürs Auge.
So erzählt sie mit Fotos, Videos und Texten über die Most- und Honigproduktion, die Mutterkuhhaltung, das Wieselburgen-Projekt, die Nistkastenreinigung etc. Eine Kamera im Turmfalken-Nistkasten liefert ganz eindrückliche Filmbilder und nicht zu vergessen die Tages- und Nachtaufnahmen mit Dachs, Biber, Rehbock, Fuchs etc. Beeindruckend auch die Aufnahmen der jungen Schleiereulen. Monika Wartenweiler schafft es mit ihrem Instagram-Kanal auf eine äusserst anschauliche und sympathische Weise, die grossen Zusammenhänge von Landwirtschaft und Ökologie aufzuzeigen, ohne irgendwo den Zeigefinger drauf zu halten. Chapeau! Vollgepackt mit Rucksack, der grossen Kamera, gebrauchten Stallkleidern, fünf Litern Most, sechs Eiern, zig Eindrücken und einem rauchenden Kopf warte ich an der Postautohaltestelle auf den Bus. Diesmal habe ich Glück. Der Chauffeur hat mein Halteaufgebot wahrgenommen.