Tobias Höltschi, Aesch, LU
Dank Bauchentscheid zum Sieg
Franziska Schawalder – Tobias Höltschi aus Aesch / LU hat am bäuerlichen Innovationswettbewerb der Schweizer Agrarmedien mit seinem hängenden Schiebegatter den ersten Preis geholt. Der gelernte Zimmermann und Landwirt ist vielseitig begabt, ein Energiebündel und strotzt vor Ideen.
Tobias wohnt seit letztem Sommer mit seiner Familie im Zollhaus, das sein Urgrossvater erbaut hat. Die alte Aufschrift «Frohen Muth bring' herein – Sorgen lasst' draussen sein!» am Türrahmen in der heutigen Stube erinnert an Zeiten, als hier noch reges Treiben herrschte. Seine Urgrossmutter führte eine Gaststube, die in späteren Jahren nur noch für spezielle Anlässe offenstand. Der junge Landwirt gehört bereits zur vierten Höltschi-Generation, die den Hof führt. Wobei er den Betrieb nicht von seinem Vater, sondern von Onkel Hans und Tante Trudy übernommen hat, die an der Schrattenflue bis heute eine Alp besitzen. Hans hat als Milchbauer mehrere Jahrzehnte Lehrlinge ausgebildet. 2004 hat er auf Mutterkuhhaltung umgestellt und beim kantonalen Schatzungsamt eine Teilzeitstelle erworben. Trudy hat sich derweil zuhause um den Hof gekümmert. Als klar war, dass ihre vier Kinder kein Interesse an der Übernahme des Betriebs hatten, erhielt Tobias während seiner Lehre als Zimmermann das Angebot, die Familien-Tradition weiterzuführen. Lange musste der junge Mann, der bereits als Kind praktisch jede freie Minute mit Götti Hans auf dem Traktor, im Stall oder in der Werkstatt verbrachte, nicht überlegen. Nach Abschluss der Lehre arbeitete er noch zwei Jahre als Zimmermann und absolvierte anschliessend die Landwirtschaftsschule. Vor der Übernahme 2016 hat er zusammen mit Hans den alten Schweinestall zu einer Remise, die auch einen grossen Werkraum
beinhaltet, umgebaut. «Mein erster Auftrag als Zimmermannslehrling war zudem 2009 der Wintergarten-Anbau bei Hans und Trudy», schmunzelt der 31jährige, der vor wenigen Monaten zum ersten Mal Vater wurde. Die vielen Geburtstafeln vor dem Haus zeugen vom freudigen Ereignis. «Zwischenzeitlich haben wir uns schon ganz gut eingelebt als Familie», schmunzelt Lea Höltschi, die Tochter Leonie in den Armen hält. Nach ihrem Mutterschaftsurlaub plant die junge Frau weiterhin 40 Prozent auf der Bank zu arbeiten. Die beiden Grossmütter werden sich je einen Tag um die Kleine kümmern.
Von der Idee zur Ausführung hat es einige Stunden gedauert
Tobias liebt es anzupacken und Dinge, die nicht 100prozentig funktionieren, zu optimieren. So war es auch beim Schiebegatter. «Wenn wir früher die Tiere in einen Transporter verladen mussten, nutzten wir Weide-Panels. Diese sorgten für Unruhe und waren aus sicherheitstechnischen Gründen nicht optimal», erzählt er. Da er am Markt kein passendes System fand, suchte er eine Lösung, die zu seinem Stall passte: «Mein Ziel war es, die Tiere sicher und
einfach zu separieren. Sodass die Einzeltierbehandlung und der Verlad in den Transporter ruhig vonstattengehen können.» Der geschickte Handwerker hat schliesslich ein hängendes Schiebegatter entworfen, geplant und konstruiert, das genau in seinen Stall passt. Dem Endprodukt gingen viele «Tüftler»- und Werkstatt-Stunden voraus. Das räumliche Vorstellungsvermögen wurde ihm in die Wiege gelegt und das Schweissen hat er sich selbst beigebracht. Vor rund zwei Jahren hat er seine Idee das erste Mal erfolgreich getestet, seither läuft es tadellos. Der Luzerner hat sich entschieden, das Gatter an Schienen aufzuhängen und es dann so durch den Stall zu schieben. Das Schienensystem hat er an der Stalldecke montiert. Da die Deckenhöhe nicht überall gleich hoch ist, musste er beim Anbringen der Schienen millimetergenau genau arbeiten und die Unterschiede ausnivellieren, ansonsten würde das Gatter nicht optimal durch die Schienen laufen.
Durchschlupf der gewünschten Tiergrösse angepasst
Ein weiteres Thema war das Verstauen des Gatters, das ja nicht täglich in Gebrauch ist und somit möglichst wenig Platz in Anspruch nehmen sollte. Nun ist es im «Ruhezustand» in der Mitte des Stalls angebracht. Über die Schienen lässt sich das Gatter von einer Person von der Stallmitte zur Frontseite des Laufstalls hin verschieben. Im Gatter selbst gibt es einen «Durchschlupf», der der gewünschten Tiergrösse angepasst werden kann. Durch diesen «Schlupf» können die Tiere gezielt
aussortiert werden. Das Gatter, das zum Alltag der Tiere gehört, verursacht auch im «fahrenden» Prozess keinen Stress, da die Tiere das Gatter kennen, im Herdenverbund sind und Sichtkontakt haben. So kann Tobias Höltschi seelenruhig und allein die Tiere aussortieren, ohne dabei selbst in Bedrängnis zu geraten. Fixiert wird das Gatter, dessen letzte Strebe bewusst weiter unten angebracht ist als bei einem Panel (so können die Tiere nicht mehr darunter durchschlüpfen), mit zwei Metallstangen, die je nach «Raumgrösse» in die passenden Bodenspalten versenkt werden können. Die Stangen können ohne Kraftaufwand mit einem Seilzug, der aus einer Nylonschnur besteht, gehoben und gesenkt werden. «Wenn ich weiss, dass am morgen früh der Viehtransporter kommt, stehe ich rechtzeitig auf und separiere in aller Ruhe die gewünschten Tiere. Anschliessend brauche ich nur noch die Stalltüre zu öffnen, um diese zu verladen.
Bauchentscheid war richtig
Klar hätte er den Neuheiten- und Innovationswettbewerb der beiden landwirtschaftlichen Fachtitel Bauern-Zeitung und «die grüne» im Hinterkopf gehabt. «Ich bin aber davon ausgegangen, dass die Projekte etwas mit komplizierter Technik zu tun haben müssten», meint er schmunzelnd. In diesem Punkt hat er sich geirrt. Seine Idee bzw. deren Umsetzung hatte sich herumgesprochen und wurde vor allem von den Chauffeuren sehr geschätzt und gelobt. «Irgendwann an einem Feiertag habe ich aus dem Bauch heraus entschieden den Stall zu putzen, ein paar Fotos zu machen und die Bewerbung abzuschicken», erinnert er sich. Es hat sich gelohnt. Anlässlich der letzten Suisse Tier holte sich der Jungbauer den ersten Preis. Im November 2023 erschien im Spezialheft ein grosser Bericht über den Mutterkuhhalter und seine
Innovation.
Der junge Mann, der die Meisterprüfung 2020 absolviert hat und in seiner spärlichen Freizeit gerne (Fach-)Zeitschriften liest, in der Brassband Aesch-Mosen Bariton spielt und sich sportlich auf dem Enduro-Bike austobt, strotzt vor Ideen und Energie. So hat er die TH Zollhaus GmbH gegründet.
Breites Angebot
Sein Angebot reicht von Mobilställen für Legehennen, die er je nach Grösse zusammen mit einem Kollegen aus Deutschland selbst erstellt, über den Vertrieb von grossen Mobilställen für Legehennen, allerlei Hühnerzubehör und Jagoda-Produkte. Der Betrieb, der unweit des Hallwilersees liegt, umfasst insgesamt 16 Hektaren Land (12 Hektaren eigenes Land und vier Hektaren in Pacht). Dazu gehören Dauerwiese, Kunstwiese, Weiden,
Winterweizen, Silomais, Kernobst und Kiwi. Letztere gedeihen in Aesch / LU – dem warmen Frühlingswind sei Dank – ausgezeichnet. Wer in der Nähe wohnt, sollte einmal im kleinen Zollhaus-Hofladen direkt an der Strasse Halt machen. Die Kiwis schmecken nämlich sehr gut. Aktuell hat Tobias 20 Mutterkühe mit Kälbern und einen Stier. Seine Mutterkühe sind ausschliesslich F1-Tiere mit einer Milchkuh als Mutter und einem Limousin-Stier als Vater. «Damit mache ich gute Erfahrungen. Die Kühe geben oft so viel Milch, dass ich noch zusätzliche, anerkannte Kälber in die Herde aufnehmen kann. Zum Hof gehören zudem 100 Freiland-Legehennen, deren Eier in der Region und im eigenen Hofladen verkauft werden. Hans und Trudy, die nur ein paar hundert Meter von ihrem ehemaligen Zuhause weg wohnen, arbeiten immer noch gerne auf dem Betrieb mit und freuen sich, dass das Zollhaus in der Familie Höltschi geblieben ist.
Tobias liebt seine Arbeit
Tobias ist ein sehr aufgestellter und positiver Zeitgenosse, der seinen Beruf und die damit verbundene Freiheit und Abwechslung liebt. «Klar – hin und wieder vermisse ich die Kollegen aus der Zimmerei. Ein Weilchen habe ich noch Teilzeit dort gearbeitet, aber im Moment ist es nicht mehr möglich», sagt er. «Aber was gibt es Schöneres, als die Kühe das erste Mal auf die Weide zu lassen, die Heusaison zu eröffnen und zu silieren.» Kopfzerbrechen bereiten dem Jungbauern die trockenen und heissen Sommer mit 35 bis 37 Grad Celsius. «Es kommt vor, dass wir während zwei Monaten überhaupt keine Niederschläge haben», erklärt er. Sein Land liegt auf einer Kiesmoräne und ist dementsprechend arm an Humus. Dank der eigenen Quelle kann er aber zumindest sein Obst bewässern. Dieses verkauft er frisch oder lagert es im eigenen Kühlhaus und
mietet sich – falls es Platz hat – in einem externen Kühlraum ein. Und Tobias wäre nicht Tobias, wenn er nicht schon ein neues Projekt im Köcher hätte. Zusammen mit ein paar Kollegen aus dem Dorf «tüftelt» der Biker an einem speziellen Veloanhänger. Wie sagt er so treffend: «Ich brauche den Kick.»